IST-Situation

GA-Projekte verlaufen vielfach in einer sequentiell organisierten Prozesskette ohne prozessgliedübergreifende Integration (vgl. Abbildung „Sequentiell organisierte Prozesskette in GA-Projekten“). Weiterhin fällt auf, dass den einzelnen Gliedern innerhalb der Prozesskette prozesskettenübergreifendes Know-how fehlt und zum Teil auch inhaltliche Schwächen in den individuell besetzten Fachbereichen vorliegen. In der Konsequenz führt dieser Missstand dazu, dass ein „Roter Faden“ in GA-Projekten zum Teil gar nicht erst besteht und / oder sich während des Projektablaufs immer wieder verschlingt bzw. droht abzureißen. Ein verschärfter Bruch in der Prozesskette lässt sich zwischen Bau- und Betriebsphase feststellen. Der spätere Betreiber einer Immobilie wird in der Regel kaum in die Bauphase einbezogen. Das wirkt sich im Besonderen negativ auf die späteren Betriebskosten aus. Die Festlegung der Betriebskosten erfolgt im Wesentlichen in der Bauphase. Die Beeinflussbarkeit der Höhe der Betriebskosten ist in der Betriebsphase vergleichsweise gering (vgl. Abbildung „Lebenszykluskosten in der sequentiell organisierten Prozesskette“).

 Sequentiell organisierte Prozesskette in GA-Projekten 

Sequentiell organisierte Prozessketten: Der Bauherr ist in der Regel nicht in der Lage, ausreichend zu beschreiben, was er konkret haben will und wofür er es später verwenden will. Der Architekt kennt die technischen Möglichkeiten und Systeme vor allem im Bereich der Technischen Anlagen und der Gebäudeautomation nur fragmentarisch. Zusammenhänge zwischen technischen Systemen erschließen sich ihm vielfach nicht. In der Konsequenz ist er nicht im Stande, die Bauherren im notwendigen Maße über den Stand der Technik aufzuklären. Es ist dem Architekten in der Konzeptionsphase der Immobilie nicht möglich, Bedürfnisse auf Bauherrenseite gemäß dem technologisch und ökonomisch Machbaren zu wecken und Ideengebäude für praktikable GA-Lösungen zu entwickeln und auszugestalten. Es werden häufig baukonstruktive und gestalterische Fragestellungen behandelt und diesbezüglich Festlegungen getroffen. Die Fragestellungen hinsichtlich technischer Anlagen werden gerne zeitlich zurückgestellt. Die Beantwortung soll in größeren Projekten durch den Fachplaner bzw. in kleineren Projekten gar durch die ausführenden Gewerke erfolgen. Fatal dabei ist, dass die unerlässliche Abstimmung zwischen den Baukonstruktionen und den technischen Anlagen respektive der Gebäudeautomation nicht rechtzeitig erfolgt. Es erfolgen baukonstruktive Festlegungen, die die optimale Ausgestaltung der technischen Gebäudeausrüstung inklusive deren Funktionalitäten einschränken. Parallel dazu erfährt die Usability weitreichende Einschränkungen und der Nutzen in Sachen Effizienz und Komfort der späteren Gesamtlösung sinkt. Werden keine Fachplaner eingesetzt, treten die ausführenden Gewerke mit nochmaliger zeitlicher Verzögerung an die Stelle der Fachplaner. Vorgaben bezüglich der Ausführung werden dann oft erst nach Auftragsvergabe an die ausführenden Gewerke individuell mit den Auftragnehmern mehr oder weniger detailliert erarbeitet und häufig kaum fixiert. Eine Abstimmung zwischen den ausführenden Gewerken erfolgt nur im Verlauf der Realisierungsphase – meist aufgrund von entstehenden Unzulänglichkeiten auf der Baustelle. Was Bauherr, Betreiber und Nutzer implizieren und wofür sie die Gesamtlösung am Ende verwenden wollen, ist den ausführenden Gewerken in solchen Situationen vielfach nicht bekannt und / oder unklar. Oft verfügen die eingesetzten Facharbeiter, aber auch die Projektleiter der ausführenden Gewerke nicht über das erforderliche Know-how, um die Gesamtlösung und die Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Gewerken verstehen und einschätzen zu können. Der entsprechende Zeit- und Kostendruck seitens der ausführenden Gewerke, Baustellen pünktlich und mit einem positiven Ergebnis fertigstellen zu müssen, verschlimmert die Situation zusätzlich und schmälert das Zeitfenster und die Bereitschaft für zeitintensive gewerkeübergreifende Abstimmungen. Zum Zeitpunkt der „Fertigstellung“ wird das Gebäude inklusive seiner technischen Systeme an den im Vorfeld oftmals nicht einbezogenen Betreiber übergeben. Häufig weist die sequentiell organisierte Prozesskette gerade zum Zeitpunkt der Gebäudeübergabe besonders fragile Stellen auf. Der Betreiber arbeitet sich sukzessive in eine suboptimale, aufoktroyierte Lösung ein. Er versucht die technischen Anlagen und das Gebäude ohne abgestimmtes Betreiberkonzept in Verbindung mit den nicht fixierten Interessen des Bauherren und der Nutzer bestmöglich zu bewirtschaften.

Zum Teil werden während des Bauprozesses und darüber hinaus Projektsteuerer und Gutachter eingeschaltet. Diese sind während und / oder nach dem Erstellungsprozess des Gebäudes mit der Ermittlung von Mängeln, Schäden und Verursachern dergleichen betraut. Aufgrund der nicht rechtzeitig erfolgten Abstimmung zwischen den Baukonstruktionen und den technischen Anlagen respektive der Gebäudeautomation sowie den Nutzungsanforderungen können zu diesem Zeitpunkt vielfach nur noch Kompromisslösungen realisiert werden. Diese Kompromisslösungen sind insgesamt für alle Beteiligten unbefriedigend, da sie für ausführende Gewerke (und gegebenenfalls den Bauherren) mit Mehrkosten und für Bauherren, Betreiber und Nutzer mit Effizienz-, Komfort- und Funktionseinbußen verbunden sind.

Im Ergebnis führen die fehlende prozesskettenübergreifende Abstimmung der Baubeteiligten und der Prozesskettenbruch zwischen Bau- und Betriebsphase von Gebäuden dazu, dass …

→ … die Investitionskosten steigen
→ … die Betriebskosten steigen
→ … der Komfort sinkt
→ … die Funktionalität sinkt
→ … die Zufriedenheit aller Prozessbeteiligten sinkt

 Lebenszykluskosten in der sequentiell organisierten Prozesskette 

 

SOLL-Situation

Um der unter „IST-Situation“ beschriebenen, negativen Ergebniswirkung entgegenzuwirken, ist eine synchrone Abstimmung in rollierenden Prozessen zwischen allen Baubeteiligten während der Bauphase (Konzeptions-, Planungs- und Realisierungsphase der Gebäude) erforderlich.

 Synchrone Abstimmung in GA-Projekten 

 

 Rollierende Abstimmungsprozesse in GA-Projekten 

 

Das Ausmaß des Projekterfolgs in einem GA-Projekt ist unmittelbar abhängig vom Handeln der prozessbeteiligten Akteure. Die Akteure müssen in der Lage sein, ihre fachspezifischen Aufgabenpakete hinreichend zu erfüllen. Und sie müssen ihre Aufgaben immer im Kontext der gesamten Prozesskette und des damit in Verbindung stehenden Gesamtergebnisses – der funktionierenden Integrationslösung über Baukonstruktionen, technische Anlagen respektive der Gebäudeautomation und des Nutzers hinweg – verstehen und erfüllen. Nur auf diese Weise kann es gelingen, Aufgaben-Differenzierung und Aufgaben-Koordination lösungsorientiert in Einklang zu bringen und den gewünschten Projekterfolg für alle Bauprozessbeteiligten zu erzielen.

Voraussetzung dafür ist ein angemessenes fachspezifisches und generalistisches Know-how Niveau aller Beteiligten. Weiterhin müssen die Teilleistungen der Akteure rechtzeitig und kollaborativ in den Bauprozess einfließen.